Geschichte
Geschichte des Lehrstuhls
Das Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht steht in einer langen Traditionslinie, die mit der Gründung der Universität Erlangen im Jahre 1743 ihren Anfang nimmt. Seit Beginn des universitären Lehrbetriebs in Erlangen, der dritten protestantischen Universitätsgründung des 18. Jahrhunderts nach Halle und Göttingen, war das Kirchenrecht fester Bestandteil der Studienordnungen der Juristischen Fakultät.
Im Zuge der umfassenden Umgestaltung der Fakultät im Jahre 1834 entstand ein Ordinariat für Staats- und Kirchenrecht, auf das Friedrich Julius Stahl berufen wurde. Friedrich Julius Stahl war von 1834 bis 1840 Lehrstuhlinhaber.
Nachfolger von Stahl war Adolf von Scheurl, der den Lehrstuhl von 1845 bis 1881 inne hatte.
Nach der Emeritierung von Stahls Nachfolger von Scheurl im Jahre 1881 übernahm Wilhelm Kahl die kirchenrechtliche Professur. Er hatte den Lehrstuhl von 1883 bis 1888 inne. Durch besondere Förderung der kirchenrechtlichen Lehre trug Kahl der gewachsenen Bedeutung des Kirchenrechts für das Theologiestudium Rechnung.
Ausfluß dieser unter seinem bedeutenden Nachfolger Emil Sehling fortgeführten Bemühungen war die im Jahre 1924 in den „Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelischen-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins“ aufgenommene Garantie, daß „die Bedürfnisse der Studierenden der evangelisch-theologischen Fachbereiche im Hinblick auf die Vertretung des Kirchenrechts“ von der Juristischen Fakultät „in angemessener Weise“ berücksichtigt werden. Emil Sehling war von 1889 bis 1928 Lehrstuhlinhaber.
Hans Liermann, Nachfolger Sehlings seit 1929, begann im selben Jahr mit dem Aufbau des Kirchenrechtlichen Seminars. Dieses fungierte zunächst als Unterabteilung der Juristischen Fakultät, bevor es kurz darauf als selbständige Einrichtung der Universität anerkannt wurde.
Da das Seminar, das seit der Nachkriegszeit in der Sehling-Villa (Baujahr 1887) untergebracht ist, bis Ende der 40er Jahre über keinen eigenen Etat verfügte, erfolgte sein Aufbau ausschließlich mit Drittmitteln, die im wesentlichen die Ev.-Luth. Landeskirche Bayerns beisteuerte. Auf diese Weise wurde der Grundstock für die Institutsbibliothek gelegt, die – nach dem Tode Liermanns 1976 durch dessen Nachlaß ergänzt – heute um die 35.000 Bände umfaßt. Die Bibliothek enthält schwerpunktmäßig Werke zum evangelischen Kirchenrecht, dem Verhältnis von Staat und Kirche und den Grenzgebieten von Jurisprudenz und Theologie. Sie ist seit der Zerschlagung des von Stutz gegründeten Kirchenrechtlichen Instituts der Berliner Humboldt-Universität im deutschsprachigen Raum einzigartig.
Zu Hans Liermann und insbesondere seiner Rolle im Nationalsozialismus siehe Vortrag von Herrn Prof. Dr. de Wall im Rahmen der Ringvorlesung „Umstrittenes Gedenken – Zur Problematik der Benennung von Straßen und akademischen Institutionen“ vom 14.12.21 unter folgendem Link.
Die Nachfolge Liermanns trat im Jahre 1960 Klaus Obermayer an, der sich seit 1982 um eine Umbenennung der Einrichtung in „Hans-Liermann-Institut“ bemühte. Das Vorhaben wurde von Beginn an vom Landeskirchenrat der Ev.-Luth. Kirche in Bayern aufgenommen und unterstützt. Die Umbenennung sollte nicht nur Liermanns Lebenswerk würdigen, sondern zugleich auch die Notwendigkeit des Fortbestandes des Instituts als einer in Deutschland einmaligen Einrichtung betonen. Mit Schreiben vom 10. März 1983 entsprach das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Einvernehmen mit der Universität der Bitte des Landeskirchenrats. Zur Bedeutung der mit Wirkung zum 1. April 1983 erfolgten Umbenennung wurde darin ausgeführt:
„Mit der Umbenennung sollten nicht nur die besonderen Verdienste des am 22. Februar 1976 verstorbenen Prof. Dr. Dr. Hans Liermann um das evangelische Kirchenrecht und das von ihm begründete Institut für Kirchenrecht, das eine im Bundesgebiet einmalige Institution darstellt, gewürdigt werden; vielmehr wollte die Universität auch zum Ausdruck bringen, daß die Juristische Fakultät das Erbe Liermanns als verpflichtend ansieht und daß auch in Zukunft das evangelische Kirchenrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg eine besondere und dauernde Pflegestätte behält.“
Ausweis der Bedeutung des Instituts für die evangelische Kirche ist die finanzielle Unterstützung der Arbeit durch die Zuweisung von Sondermitteln aus dem Kirchenhaushalt für die Anschaffung von Büchern und für die Beschäftigung eines theologischen Mitarbeiters. Die Besetzung des Lehrstuhls erfolgte zudem – zuletzt 1987 mit Prof. Dr. Christoph Link und im Oktober 2001 mit Prof. Dr. Heinrich de Wall – stets im Einvernehmen mit der Ev.-Luth. Kirche in Bayern.
Von 1987 bis 2001 hatte Christoph Link den Lehrstuhl für Kirchenrecht, Staats- und Verwaltungsrecht inne.
Seit 2001 ist Heinrich de Wall Inhaber des Lehrstuhls und Vorstand des Hans-Liermann-Instituts.
Literatur:
H. Frommer, Die Erlanger Juristenfakultät und das Kirchenrecht 1743-1810, München 1974; H. Liermann, Erlebte Rechtsgeschichte, Neustadt a.d. Aisch 1976; „Das Rechtsinstitut ist bundesweit einzigartig“, in: Ev. Sonntagsblatt (Ausgabe Erlangen) vom 9.9.1990; „Hans-Liermann-Institut“, in: Uni-Kurier, Nr. 49 (Juli 1983), S. 4.; Ch. Link, Das Kirchenrecht in Erlangen, JuS 1993, S. 898 ff; M. Germann/H. de Wall, Kirchenrecht und Staatskirchenrecht in Erlangen 1889-1986, in: dies (Hg.), Bürgerliche Freiheit und Christliche Verantwortung, Festschrift für Christoph Link zum 70. Geburtstag, 2003, S. 19-48.